Der große Brand von 1727

(Von Dieter Barby). 10. Oktober 1727. Neustadt erlebt eine Feuersbrunst von bisher nie gekanntem Ausmaße. Mit Ausnahme weniger Hausstellen wurde ganz Neustadt verwüstet. Der Brand war riesengroß. Die stehengebliebenen Häuser lagen am Rande der Stadt in der Nähe des Walles. Es sind einige Häuser an der Mittelstraße, Windmühlenstraße (damals: Hintere oder Hinterste Straße genannt), Wallstraße, Schulstrasse (heute: „An der Liebfrauenkirche“) und am Entenfang. Beim Neuaufbau wurden die Straßen alle schnurgerade gelegt. Heuteerkennt man die   vom Brand nicht zerstörten Häuser daran, dass sie nicht in allgemeinen Fluchtlinie der anderen Häuser stehen (Windmühlenstraße).

Das Feuer brach im Hause des Heinrich Grahle, das an der Hauptstraße (heutige Marktstraße) lag, unmittelbar vor dem Lauentor (dieses befand sich in Höhe des jetzigen Kaufhaus Hibbe), aus. Heinrich Grahle scheint das Feuer aber nicht absichtlich verursacht zu haben, immerhin aber doch unvorsichtig und leichtfertig gehandelt zu haben. Beim Wiederaufbau der Stadt wurde sein Haus vor das Tor, also außerhalb der Stadt, versetzt. Der Schaden, den er durch die Umsetzung ausserhalb der Stadtwälle, erleidet, wird ihm nicht ersetzt (mit der Begründung: „In seinem Hause hätte das Feuer angefangen, deshalb habe er sich die Verrückung aus der Stadt selber zuzuschreiben“)

Dem verheerenden Elementen zum Raub gefallen sind an jenem furchtbaren Tage mehr als 100 Wohnhäuser und Hofstellen (Superintendent Förster als Augenzeuge nennt in seinen Berichten stets nur 95 Häuser, später spezifiert er: „73 Braw: und 24 gemeine Häuser!). 1671 hatte Neustadt 108 Feuerstellen, 1727 werden es nicht weniger gewesen sein.
Welch ein Schrecken und Angst, wenn so eine ganze Stadt an fast allen Ecken und Enden brennt! Welch ein erschütternder Anblick danach: die ganze Stadt ist ein großer rauchender Trümmerhaufen. Zwar scheinen Menschen ihr Leben nicht eingebüßt zu haben, doch waren die wirtschaftlichen Verhältnisse eine einzige Katastrophe. Wo sollte man bleiben bis man wieder unter dem eigenen Dach wohnen konnte? Wo sollten die Obdachlosen hin? Die wenigen stehngebliebenen Häuser reichten nicht im Mindesten zu deren Aufnahme aus. Nahrung, Kleidung, alles war verbrannt und die Menschen bettelarm geworden. Verzweifelt suchten sie in den verkohlten Resten ihrer Häuser nach irgendetwas Brauchbaren. Und der Winter stand bevor!

Auch die Superintendentur wurde ein Raub der Flammen. Weil jedoch einige besonders wichtige Akten und Urkunden gemäß alter Vorschrift in der Kirchenlade lagerten, die in der Sakristei stand und die Kirche von den Flammen verschont wurde, blieb uns manches noch erhalten. Weniger Glück hatten die Dokumente der Stadt die im Rathause lagerten, diese wurden mit dem Rathaus vollständig vernichtet. Das abgebrannte Pfarrhaus (Superintendentur) mit dem Pfarrgehöft wird in dem auf den Landeskirchenamt befindlichen Intradenverzeichnis der Inspektion Neustadt am Rübenberge von 1671 wie folgt beschrieben: „In dem Pfarrhause, welches in die Quere fast 37 Fuß lang und 32 Fuß breit, ist nicht all zuwol agtiert, hat einen eintzigen boden, daher nicht so viel platz, daß man ein wenig Spreu, geschweige dann Korn könnte aufschütten. Scheure (1727 nicht abgebrannt) ist dabey 54 1/2 Fuß lang und 34 Fuß breit“. …“ Weil die Pfarre nur aus Ackerland bestand war auf dem Pfarrgehöft kaum Platz zur Haltung von Schweinen und Hühnern oder Gänsen. Ein Schweinestall (1727 verbrannt) befand sich ebenso wie ein Pferdestall auf dem Gehöft. Das ermittelte Superintendent Stumpenhausen der im März 1928 einen Zeitungsartikel in der Leine- Zeitung veröffentlichte. Nach seiner Meinung hatte das Pfarrgehöft damals die Breite der Hausfront in der Schulstrasse (heute: „An der Liebfrauenkirche“).
Nach dem großen Brand erhielt Superintendent Förster mit seiner Familie die alte Amtschreiber Wohnung als vorläufige Unterkunft, nachdem diese notdürftig für 68 Taler repariert worden war.

Nach dem Brand wurde der 10. Oktober jeden Jahres als Buß- und Brandtag feierlich mit einem Gottesdienst in der Kirche begangen. Nachweisbar bis 1770, wahrscheinlich aber noch weit über dieses Datum hinaus. 1)

  1. Oktober 1727. Superintendent Förster informiert die Pastoren seiner Inspektion über die Feuerkatastrophe in Neustadt: „Ihnen wird theils aus der ferne die große Feuersnoth die gestern durch Gottes verhängniß diese gute stadt betroffen und biß auf wenige Häuser solche verzehret, angeleuchtet und der erzürnte Himmel diese Glut representiret habe. Ich muß auch leider den Hochverehrten Herren Confratibus hiedurch kund thun, daß die Superintendenten wohnung in solcher Feuers Brunst auch verzehret, mithin ich und die meiningen haben viel gelitten, Möbel sind verbrannt, silber Zeugs und allen victualien, so ich auf die Winters Zeit angeschaffet, auch ein gut theil meiner Bibliothec, in großen jammer und schaden versetzet und überdem an einem desolierten Orte ohne eigene Wohnung mich aufhalten muß. Ich zweifle nicht die Hochgeehrten Herren Confratres werden wegen dieses mir betroffenen großen Unglücks ein Christliches Mitleiden mit uns haben, auch mit dieser unglückseligen stadt. Mein Flehen gehet an Sie alle dahin, daß Sie Gott vor das gleiche schwere Creuz und Schaden bewahren wolle.“
    P.S. Sollte etwas an mich zu berichten seyn, so wollen Sie mich bey unßerem Herren Ambtmann suchen lassen.

In einem anderem Manuskript vom 11. Oktober 1727 gibt Förster Gründe für die Vernichtung durch Feuer der hiesigen Superintendentur an: „Weil das ziemlich stand fäste gewesene Superintendentur Hauß um des willen bey entstandenen Brande unter anderen nicht hat gerettet werden, weil an beiden Seiten 2 kleine Häuser in brand gerathen auch wegen (zwischen) der Scheuer man nirgends zum löschen platz gehabt, so würde zur künftigen consersation des neu an zu legenden Superintendenten Hauses, bey etwa entstehender Feuers Brunst nothwendig erfordert werden, daß an beiden Seiten des Hauses und der Scheure 16- 20 Fuß zum Haus“ Platz gelassen werden müsse. Außerdem soll die Anlegung eines Gartens die Distanz zum Nachbarhaus erhöhen. Die Viehställe der Superintendentur sollten ebenfalls im Abstand zum Hause gebaut werden.

Den 11. Octbr. ist nachdem Gott tages vorher die Stadt durch eine erschrecklige und schnelle Feuers Brunst welche vor dem Lauen Tohre in Hinrich Grahlen Hauße angegangen, heimgesucht, das fast die gantze stadt und darunter die Superintendentur aufgebrand, meine des zeitigen Superintendentis Johannes Just Försten Ehe Frau mit einen gesunden und wohlgestalteten Töchterlein nieder kommen, welche d. 12. Octobr darauf auf hiesigen Königl. Ambte, wohin wir uns retiret von mir den Superintendenten getaufet und genenet Jurina Eleonora. Gevattern Jungfer Ilse Jurina Försters meine liebe Schwester und Jungfer Dorothea Eleonora Förster gleichfalls meine liebe Schwester und ist letztere bey der Taufe zu gegen gewesen. 2)

Am 12. Oktober 1727 ist dann noch des Bürgers und Müllers Johann Christian Krohnen Ehefrau mit einer Tochter niedergekommen und am 15. Oktober getauft. Die nächste Taufe in Neustadt ist dann erst wieder am 9. Dezember 1727. Die letzte Beerdigung war am 25. September 1727 und dann erst wieder am 12. November 1727. 3)

  1. Oktober 1727. Schreiben des Superindenten Förster an seine Amtsbrüder in der Inspektion. Auszug (der heutigen Schreibform angepasst): Weil meine Herde nach dem Willen des höchsten Oberhirten und der hohen Oberen Vorsorge, die die zum Unterhalt der durch die entsetzliche Feuersbrunst in höchste Armut gesetzten, gewesenen Einwohner dieser Stadt vornötig finden in ihren Gemeinden vorerst verteilet worden, so will ich meine Hochgeehrten Herren Confrates (Mitbrüder) hierdurch ersucht haben, sich dieser meiner lieben, in große Trübsal gesetzten Beichtkinder, anzunehmen, propter Deum, bei den Nötigem, mit ihrem Amte nicht nur zu dienen; sondern auch, damit jede Gemeinde zum Christlichen Mitleiden dieser Armseligen zu bewegen werde, nächsten Sonntag, da diese Leute sich anfinden, von der Kanzel einige nachdrückliche Bitte und Ermahnung zur Barmherzigkeit zu tun. Der große Gott wird für alles, was meine Hochgeehrten Herren Confrates, als auch der Gemeinde zum Besten dieser Leute tun werden, ein reiches Vergelten haben. Ich empfehle Sie dem Göttlichen Gnaden Schutz und bitte den großen Gott dass er Sie und Ihre Gemeinden vor dergleichen schwerem Unglück in Gnaden bewahren wolle und versichere, dass ich mit aller Ergebenheit und Freundschaft zugeneigt bin. Neustadt den 13. Oktober 1727. –Förster-
    N.B. Die sämtlichen Schulmeister haben sich durch getreue Information dieser Jugend (die von Neustadt auf die umliegenden Gemeinden verteilt wurden) anzunehmen, auch sollen sie für die Jugend, denen es an Büchern fehlt, sagen und womöglich jeder Orts dieselben zu stiften oder mir Nachricht geben wie viel Exemplare des Katechismus nötig sind.
    Das Schreiben wurde in Umlauf geschickt und gegengezeichnet: Bordenau den 13. Oktober, Basse den 14. Oktober, Mandelsloh den 15, Oktober, Stöcken 16. Oktober 8 Uhr, Suderbruch denselben Tag, Rodewald den 17. Oktober, Steimbke den gleichen Tag, Heemsen den 18. Oktober (hier steht noch folgende Bemerkung: „allwo eine die nacht nach ihrer ankunft mit einer jungen tochter nieder, Ditrich Wiegens(?) Ehe Frau“), Holtorf vesperi 18. Oktober, Husum vesperi den 19. Oktober, Rehburg den 21. Oktober, Schneeren den 22. Oktober, Hagen den 23. Oktober, Dudensen den 25. Oktober und Mariensee den 25. Oktober. 4)

Schreiben Försters an das Konsistorium, undatiert, Auszug: „Euren Hochwohlgebohrenen Exellencen ist bereits berichtett, daß es den großen Gott gefallen am abgewichenen Freitag Neustad am Rübenberge, mit einer so entsetzlichen Feuers Brunst heimgesuchet, daß die 95 Hauß und darunter auch meines, des Superintendentis Wohnung auf den Grund abgebrand. Wen nun der große Verlust der mir auf aufgebranten Sachen, alß auch einen guten Theils meines Salarii und Entbehrung derer, mit diesen Ãœbel verbunden, daß gegen die herannahenden Betrübnisse der Herbst und Winterszeit für mich und meine Familie keine eigene Wohnung habe.“
…“ mit unterthänigsten Danke, das Euer Hochwohlgebohren Exellence permittiren wollen, das ich die baufällige vormahlige Ambtschreiberei vorerst und biß eine andere Wohnung wieder gebaut, beziehen dürfe und desfals an Königlich- Churfürstlichen Herrn Beambte rescribiren wollen, und verpflichte mich schuldig allen Fleiß und Sorgfalt nebst mir und den Meinigen, das vorderst keine Feuersgefahr entstehen möge auch mein Gesinde dazu anzuhalten. Zu Gott den Allmächtigen hoffend und und von ihm bittend, das er solches Unglück abwende und in dem sehr baufälligen Hause mich und die Meinigen erhalten werde. Indessen da solches alte Haus so behaftet, das aus Mangel der Thüren, einige Fenster auch fehlen, und weil verschiedene Wende unten liegen, ohne eine reparation gar nicht könnte bewohnet werden.“
„Ebenso, das die mangelnden eisernen Ofen aus der verbrannten Superintendentur geholt werden und die Fenster von dem alten Mecklenhorster Vorwerck hierher gebracht würden.“
„Euer Hochwohlgebohrene Exellencen mein unterhänigstes Flehen und bitte dahin befehlen an den Königlichen Herrn Beambten zur Neustadt ergehen zu lassen, das die reparation an den wichtigsten Stücken auf der baufälligen Ambtschreiberei geschehe und ich mit meiner Frauen und Kindern bey meinen Betrübnisse eine retirade haben möge.“

Förster schreibt an den König Ende Oktober 1727. Auszüge: „Es hat dem großen Gott gefallen am 10ten October dieses Jahres die in Eurer Königlichen Majestät Teutschen Provincen 3 meilen von Hannover belegenen Stadt Neustadt am Rübenberge, mit einer entsetzlichen Feuersbrunst heim zu suchen, wodurch 95 Häußer und auch meine des Superintendentis Pfarrwohnung in die Asche geleget.“

St. James den 27ten Oct: / 7te Nov: 1727. An die Räthe zu Hannover. P.S. Auch Räthe und Liebe Getreue, zeiget die Original Beylage, wasgestalt der Superintendens zu Neustadt am Rüb: Ehrw Förster umb Verorderl. bey uns Suppliciret; daß ihm der durch die neuliche dortige Feuers Brunst gelittene Schade und Abgang ersetzet werden möge. Wir seyn nun dazu geneigt und wollen ratione modi eures Vorschlages erwarten. –George R- 5)

Der Superintendent Förster wurde mit Frau und 9 Kindern, wovon das Jüngste am Tage nach dem Brand geboren wurde, in der alten Amtschreiberei auf dem Schlosshof untergebracht. Dieses Haus war wegen Baufälligkeit schon seit Jahren unbenutzbar. Nun wurde es notdürftig wieder zurechtgemacht und diente dann der Familie fast 3 Jahre als qualvolle Behausung. Eine beständige Klage des Superintendenten war der Mangel an Boden in dieser Notunterkunft. Försters Einkünfte bestanden in der Hauptsache aus Kornfrucht und das konnte dort nicht vernünftig gelagert werden. Besonders schwer hat die Familie in dem harten Winter von 1728 auf 1729 gelitten, so das die Verzweiflung groß wird, als es sich immer mehr als Gewissheit erweist, das man auch noch den Winter 1727/30 in dem schadhaften Haus wird zubringen müssen. Superintendent Förster hatte fast alle seine Habseligkeiten verloren und war total verarmt. Man musste ihm in besonderer Weise helfen. Zu Ostern 1728 wurde der zweite Prediger Eicken versetzt. Da hat man die Stelle bis 1735 unbesetzt gelassen und deren Einkommen Förster zukommen lassen. Von Försters Elend und Armut wissen wir aus hinterlassenen Akten. Sicher erging es den meisten Bürgern in Neustadt gleichermaßen, nur haben sie uns, der Nachwelt, leider keine schriftlichen Nachrichten darüber hinterlassen. In einem Schreiben des Amtmannes von Neustadt nach Hannover: „Die Abgebrannten sind in den benachbarten Ämtern und in kleinen Gemeinden untergebracht. Ihnen ist für 3 Monate Brotkorn zu Verfügung gestellt worden. Für 1118 Morgen ist Saatkorn eingetroffen, so dass die Herbstbestellung beginnen kann. Für die Unterbringung des Viehs ist gesorgt. Diejenigen Bürger, die bei der Bestellung des Landes Mist fahren, pflügen und säen, sollen von den Früchten der Ernte ihrer Arbeit bezahlt werden. Für das Braugewerbe ist auf dem Brauhausgrundstück ein Schauer errichtet, der der Wiederaufnahme der Braunahrung dienen soll. Ab November 1727 kann dort wöchentlich ein halbes Gebräu gemacht werden. Dadurch kommen die Leute zu Geldmittel, für die sie Baumaterial kaufen können.

  1. November 1727. Konsistorium in Hannover: An die General= und Special= Superintendenten im Fürstenthum Göttingen:
    Wir geben euch hiermit zu vernehmen was gestalt durch die zur Neustadt am Rübenberge am 10ten Octobr: entstandene große Feuers Brunst, der Superintendens daselbst Ehrn Förster dergestalt mit betroffen worden; daß er, indem des Superintendentur= Hauß mit abgebrannt ist, großen Schaden an seinen gütern erlitten.
    Als nun bey solchen Unglücksfällen der Clerus hiesiger Lande die löbliche gewohnheit schon von langen Zeiten her gehabt, daß einer dem andern, durch eine beliebige milde Beysteuer zu Hülfe kommt;
    So zweifeln wir zwar nicht auch solches prolubitu eines jeden diesesmahl geschehen, und der Superintendent Ehrn Förster solcher Beyhülfe gewissen;
    Wir haben auf dessen ansuchen euch, als die unter der euch anvertrauten Inspection stehende Prediger, welchen Ihr dieses per circulares zu communiciren habet, hiedurch zu erinnern nicht ermangeln wollen. Und sind p. Hannover den 6ten Novembr: 1727. Königl. Groß britt. zum Churfürstl. Br. Lüneb. Consistorio verordnete Consistorial= und Kirchen Räthe. 6)

Wegen der entstandenen großen Armut ging es dann beim Aufbau der Stadt nur langsam voran. Aber es regte sich Mitleid. Der König Georg II., die Kalenberg- Grubenhagensche- Landschaft und die Klosterkammer schenkten Hilfsgelder. Im ganzem Fürstentum Kalenberg- Göttingen- Grubenhagen und in der Grafschaft Hoya- Diepholz wurde eine Hauskollekte durchgeführt. Die Summe der bei diesen Hilfsmaßnahmen zusammengekommenden Gelder ist uns nicht bekannt, dürfte aber beträchtlich gewesen sein. Der König allein soll aus eigenen Mitteln 100 000 Taler geschenkt haben. Doch bei dem Ausmaß der Zerstörungen, der Armut und des Elends sicher nicht ausreichend. Auch wurden zuerst Gelder zum Wiederaufbau öffentlicher Gebäude genommen. Es sind aber auch einzelnen Bürgern Gelder zugeflossen, was ausdrücklich festgestellt wird. Trotzdem ging der Wiederaufbau sehr schleppend vor sich. Die Hauptarbeit musste jeder selber leisten, denn Versicherungen gab es nicht. Im Frühling 1728 sind die beiden von der Stadt als Wiederaufbaukommissare ernannten Oberamtamtmann Voigt aus Blumenau und Amtmann Meyer bei ihrer Arbeit. Sie fertigen Risse und Kostenanschläge an und machen die Planungsarbeiten für Brauhaus, Rathaus und Superintendentur. Trotzdem scheint das Jahr 1728 im Wesentlichen mit Aufräumarbeiten hingegangen zu sein. Ab dem Frühjahr 1729 setzt dann eine rege Bautätigkeit ein. Die abgebrannten öffentlichen Gebäude Rathaus und Brauhaus und viele einzelne Häuser werden mit den Unterstützungen gebaut.

Wallananlagen 1957

Freilich mit der Superintendentur ging es wegen Geldmangel nicht voran. In einem Schreiben vom 29. Juni 1729 klagt Förster: „Sie bleibet bis dato nun in die 1 ¾ Jahr wüste liegen. Die übrig gebliebenen Materialien von Steinen usw. verringern sich, das geschenkte Eichen- und Tannenholz verdirbt und ich bin in den Augen meiner Gemeinde und Inspektion, soviel die Wohnung belanget, als ein verlassener und zu Ungnade und Zorn gesetzter Diener Gottes angesehen.“ Mit Schrecken denkt er an den nächsten Winter und nach den schlimmen Erfahrungen des letzten (28/29), wovon er schreibt: „Habe in solcher sonderlich letzteren harten Winterzeit viel Ungemach, Gefahr der Gesundheit, Schaden im Haushalt, Furcht und Schrecken bei ungestümen Wetter nebst den Meinigen ausstehen müssen.“ In seiner Not wendet er sich deshalb am 27. Juni 1729 mit einer Bittschrift um Hilfe direkt an den König (siehe unter 1729). Eine Antwort bekommt er nicht. Förster wird immer verzweifelter. Am 20. Juli 1729 schreibt er an seinen Vater: „zu meinem größten Leidwesen ist bis dato noch keine Resulotion wegen des Superintendentenhauses ergangen, obwohl die Herren es machen könnten und sollten und nur Vertröstungen geben. Gott mag wissen was sie mit mir im Sinne haben, ob sie mich in diesem unglücklichen Stande lassen und keine Hilfe leisten wollen? Was etwas unbarmherziges und unerhörtes ist. Ich weiß leider nicht wodurch ich mich aus dieser Last heben soll, nachdem ich alles versucht habe was menschenmöglich ist und finde doch keine Erhörung. Gott gebe es denen zu erkennen, welche mich so lange ohne Hilfe lassen und gebe mir Geduld.“ Am 9. August berichtet er dem Amtmann Voigt, es sei immer noch kein Anfang mit der Superintendentur gemacht. Am 10. schreibt Voigt zurück, es läge nicht an ihm, sondern an seinem Sekretär. Da kommt am 11. August 1729 der König selbst durch Neustadt. Förster nutzt die Gelegenheit und übergibt dem König persönlich ein Bittschreiben- und nun geht alles schnell. Nur eine Woche später, am 18. August sind Bauzeichnung und Kostenvoranschlag bereits genehmigt. Mit 700 Talern aus der Sammlung und 300 Talern die von der Kirche in Dudensen geliehen werden sollen, wird sofort mit dem Bau begonnen. Woher das übrige Geld kommen soll ist noch ungewiß. In der Tat scheint der Bau noch im Herbst 1729 unter Dach gebracht zu sein. Dann aber wird nicht weiter gebaut, das nötige Geld fehlt. Im April 1730 wird vom Konsistorium in Hannover eine Kollekte für diesen Bau im Fürstentum Kalenberg- Göttingen- Grubenhagen und der Grafschaft Hoya- Diepholz veranstaltet. Aber im September 1730 wohnt Förster noch immer in der baufälligen Amtschreiberei. Bei den Kostenvoranschlägen hatte man Viehställe und die Hofeinfriedung vergessen. Für den Bau des Viehstalles wendet er sich an den Generalmajor von Campen mit der Bitte um Bauholz. Und noch im Spätherbst und Winter ist alles fertig. Anfang Winter 1730/31 ist Förster dann in die Superintendentur eingezogen, über 3 Jahre nach dem Brand. Die genauen Kosten des Hauses sind nicht bekannt, der letztbekannte Kostenvoranschlag belief sich auf 1 700 Taler. 50 Jahre später wurden dann an der Rückseite des Gebäudes noch eine Reihe Zimmer angebaut.

Beim Wiederaufbau der Stadt wurden bestimmte Grundsätze aufgestellt. Die Straßen sollten nun schnurgrade werden und sämtliche Häuser an einer Straße an der gleichen Fluchtlinie gelegt werden. Dieser Bestimmung verdankt Neustadt die Regelmäßigkeit seines heutigen Stadtbildes. Die Lein- und Mittelstraße wurden etwas weiter auseinander gerückt, damit die hinteren Reihen Häuser nicht wieder so nahe zusammenkamen.

Die Breite der Straßen:

Marktstraße 40 Fuß
Leinstraße 45 Fuß
Mittelstraße 40 Fuß
Windmühlenstraße 30 Fuß
Zwerg- oder Querstraßen 27 Fuß
Passage Leinstr. zur Leine 20 Fuß

Die öffentlichen Gebäude wie Rathaus, Brauhaus oder auch Superintendentur sollten auf allen 4 Seiten frei gelegt werden. Die Häuser sollten nicht alle gleiche Breiten bekommen, das hätte eine sehr schwierige Berechnung über das Vermögen erfordert. Jedes Haus sollte einen Hofraum in Mindestgröße erhalten, wie sie für eine Dungstätte erforderlich sei, die meisten auch eine Ausfahrt aus dem Hause. Die Keller und Brunnen sollten möglichst erhalten bleiben. Bis auf 5 Häuser sollten alle noch Platz innerhalb der Stadt finden. Die besagten 5 Häuser sollten vor dem Lauentor außerhalb der Stadt an die Hauptstraße (heutige Marktstraße) und zwar „mit der Leute guten Willen“ gesetzt werden. Die meisten wüsten (unbebauten) Stellen im Innern der Stadt sollten für Häuser gebraucht werden, die wegen der Neuanlage der Stadt von ihrer bisherigen Stelle weichen mussten. Das traf besonders auf die Marktstraße zu. Auch sollten Hausstellen vor dem Lauentor zum weiteren Bau ausgewiesen werden, „das solches mit der Zeit eine reguläre Vorstadt abgibt.“ Damit ist praktisch die Ausweitung der Stadt außerhalb ihrer Wälle in Planung gebracht worden, die dann auch kurze Zeit später Formen annahm.
Am Markt sollten 2 Brunnen sein, im Falle der Not für Löschzwecke, sonst zum privaten Gebrauch der Anlieger. Die wegen der neuen Straßenführung oder besseren Einrichtung von ihren Stellen verrückten, auch die vor dem Tor oder ganz außerhalb versetzten Stellen, sollten ihre Berechtigungen und Lasten wie bisher behalten. Ein jeder behielt auch die Steine von seiner Brandstelle. Wegen Berechnung und Ausgleichs gewesener und neuer Stelle wurden folgende Einheitssätze aufgestellt:

  • Für ein Quadratfuß bebaut gewesener Stelle ein Preis, nach welchem dergleichen vorhin mehrmals verkauft worden, nämlich 1 Groschen
  • Für ein Quadratfuß unbebauter Stelle innerhalb des Walles 4 Pfennig
  • Für 1 Quadratfuß den einer nicht nach seinem Gefallen, sondern nach der Gelegenheit dazu bekommt 6 Pfennig
  • Für 1 Quadratfuß vor dem Lauentor an der Marktstraße 3 Pfennig
  • Für 1 Quadratfuß außerhalb des Tores und nicht an der Marktstraße 2 Pfennig
  • Für jeden erhaltenen Keller und Brunnen wird dem Besitzer eine Summe abgerechnet, für jeden verloren gegangenen Keller und Brunnen und von jeder Verrückung von der jetzigen Stelle eine Summe gut gerechnet.

So ergibt sich daraus, ob jemand etwas hinzubezahlt oder wiederbekommt an Geld.

Gleich nach dem Brande stellte Bürgermeister Wahrendorff ein Verzeichnis aller Abgaben auf, die jeder Bürger zu leisten hatte. Von 118 Bürgern haben 23 keine Schulden bei Privatleuten, die Schulden der übrigen schwanken zwischen 100- 933 Talern.
Im Jahre 1734 wurde ein Spritzenhaus in Neustadt gebaut. Es stand hinter dem Rathaus und hatte 330 Taler gekostet. Es hatte aber gravierende Mängel, die Spritze konnte bei Feuersgefahr aus dem feuchten Raum nur ganz schlecht herausgeholt werden.

Im Jahre 1753 gab es innerhalb der Stadtwälle noch 16 wüst liegende Hausstellen.

Spuren des verheerenden Feuers kann man heute noch sehen, wenn die alten Fachwerkhäuser abgerissen werden. Als 1997 wieder einmal ein altes Fachwerkhaus in der Mittelstraße abgerissen wurde um einem modernen Neubau zu weichen, konnte der aufmerksame Beobachter eine etwa 10 cm dicke, schwarze Aschenschicht erkennen, die den Boden unter dem abgerissenen Haus bedeckte.

Mit den vorhandenen Dokumenten lässt sich das Ausmaß der Not und des Leidens der Bevölkerung nicht darstellen. Zweifellos aber litt die Bevölkerung schwer auch wenn uns keine schriftlichen Sachen der Betroffenen überliefert sind. Neustadt hat auch diese Katastrophe überstanden. Letztendlich bauten die Bürger ihre Häuser wieder auf, wenngleich es sehr lange dauerte. Der sogenannte „Moorvergleich“ von 1753 übereignete der Stadt das Wall- und Grabengelände mit Ausnahme eines Stückes des Schlossgrabens und der Bastion Erichsberg, so dass mit diesem Jahre an die Einebnung des größten Teils der Wälle und Gräben in Angriff genommen werden konnte. Damit endete die seit dem Mittelalter bestehende Schutzform der Stadt, welche drangvoll eng, aber geschützt innerhalb ihrer Wälle lag, die aber keine Expansion mehr erlaubte. 7)

Das Rathaus ist nach dem großen Brande von 1727 wieder neu errichtet worden. Ãœber dem Eingang befindet sich das städtische Wappen, dasselbe besteht aus einem Gemauer mit Zinnen, Gitter und offenstehenden Torflügeln. Auf den Zinnen stehen 2 runde Türme, mit runden, mit Knöpfen versehenen Dächern. Zwischen den beiden Türmen steht, aufgerichtet von der rechten zur linken Seite auf zwei Zinnen, der braunschweigisch- lüneburgische Löwe. Das Wappen ist im Jahre 1847 in Zinn gegossen. Als Stadtfarben wurden im Jahre 1887 von den städtischen Gremien die Farben weiß und blau gewählt. Das sind die Farben der alten Grafschaft Wölpe.

Ãœber das Aussehen des Rathauses vor dem großen Brand ist nichts bekannt. Es hatte aber an den beiden Frontecken Erkervorbauten, wie der Bebauungsplan von 1727 zeigt.

1) Quelle: KA Neu Rep. 7, 305

2) , 3) Quelle: KB Neu

4) Quelle: KA Neu

5) Quelle: KA Neu Rep 3, 203

6) Quelle: KA Neu Rep 3

7) Quellen über den Brand: Stumpenhausen, 1928 Bericht über die Brände auf Grund der Kirchenakten, Akten des Pfarrarchivs der Liebfrauen- Kirchengemeinde