Migration und lokale Entwicklung

Kooperationsprojekt KGS – VHS Hannover-Land

Die KGS hat im August 2010 begonnen, Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs mit dem Schwerpunkt „Gesellschaft“ die Auswirkungen von Wanderungsbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert auf die lokale Entwicklung erforschen zu lassen. Hintergrund sind

  • die allgemeinen Anforderungen an das Seminarfach, den SchülerInnen einen Einblick in wissenschaftliche Arbeitsmethoden zu vermitteln;
  • die Erfüllung der curricularen Vorgaben für das Fach Geschichte der gymnasialen Oberstufe, die das Thema „Heimat und Fremde“ vorsehen;
  • die didaktische Ãœberlegung, die den Jugendlichen über die Erforschung ihres Lebensraumes historisches Verständnis für aktuellen Wandel und unterschiedliche Perspektiven vermitteln und damit zur Handlungsorientierung beitragen möchte.
Dieter Barby, Friedel Hogrefe, Hellmut Fried, Hans-Erich Hergt und Willi Zöllner vor dem Gespräch mit SchülerInnen der Seminarfachgruppen in der KGS

Das Alter der Schülerinnen und Schüler und die Rahmenbedingungen des Seminarfachs lassen eine tiefer gehende Untersuchung von Themengebieten allein durch die Jugendlichen nicht zu: Nach einer Einführung in wissenschaftliche Arbeitsmethoden haben diese sechs Wochen neben dem normalen Ganztagsunterricht zur Verfügung, ihre Seminarfacharbeit zu schreiben. Bei Themengebieten im 19. Jahrhundert kommen weitere Schwierigkeiten dazu: Notwendige Archivrecherchen kollidieren mit dem schulischen Stundenplan; die verwendete Kurrentschrift ist für die meisten Schülerinnen und Schüler nicht lesbar; das Verständnis der selbst im eigenen Heimatort anders gearteten Lebensverhältnisse setzt umfangreiche Vorkenntnisse voraus.
Andererseits bietet gerade der tief greifende Wandel des 19. Jahrhunderts mit seinen „Auswanderungswellen“ aus dem Neustädter Land einen guten Ansatzpunkt zum Verständnis von Migrationsursachen, Motiven und dem daraus folgenden strukturellen Wandel: Nach Einschätzungen unserer LokalhistorikerInnen sind zum Teil fast 50% der alteingesessenen Bevölkerung ausgewandert und die Anwerbung von 1100 Hüttenarbeitern hat Neustadts Sozialgefüge grundlegend gewandelt. Zum ersten Mal kamen z.B. katholische Arbeiter in größerem Umfang in die bis dahin protestantisch geprägte Ackerbürgerstadt. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich; die Stadt wurde in zwei Teile „gespalten“: Ackerbürger in der „Kernstadt“, Arbeiterfamilien westlich der Bahnstrecke.

Der grundlegende Wandel dieser Zeit kann Verständnis schaffen für die Migrationshintergründe und Integrationsanforderungen und -leistungen der Gegenwart. So haben die Ausgrenzung und schließlich Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in den 30er Jahren und die Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen nach 1945 wiederum das Zusammenleben und die Entwicklung des Neustädter Landes entscheidend geprägt. In den 60er Jahren ist mit der Anwerbung von „Gastarbeitern“ und deren Unterbringung z.B. in „VW-Siedlungen“ ein weiterer sichtbar multikultureller Wandel eingetreten, der immer noch im Gange ist. Seit den 90er Jahren ist mit dem Zerfall des Ostblocks die Aufnahme von Russlanddeutschen als Herausforderung für die Integration dazugekommen. Darüber hinaus werden der demografische Wandel und die Strukturschwäche der Flächenstadt Neustadt die Zukunft nachhaltig prägen.

Die KGS ist Teil der lokalen multikulturellen Gesellschaft, die nur im Dialog und Verständnis für die andersartige Wurzeln und Perspektiven eine gute Chance der Weiterentwicklung hat. Die Recherchen der Schülerinnen und Schüler sind durch die unterrichtliche Arbeit allein nicht erfolgreich zu gestalten; bei ihrer punktuellen Arbeit benötigen sie die Unterstützung von erfahrenen MentorInnen. Die KGS ist daher froh, dass sie mit der „Geschichtswerkstatt Neustadt“ der VHS Hannover-Land einen Partner gefunden hat, mit dem das Projekt auch in Zukunft vorangetrieben werden kann.

Für die Unterstützung der vorliegenden Schülerarbeiten sei insbesondere den folgenden Personen und Institutionen gedankt:
Dieter Barby, Friedrich Dankenbring , Florian Düe, Hellmut Fried, Hans – Erich Hergt, Friedel Hogrefe, Margaret Kerr (Silver Spring, USA), Walther Nordmeyer, Ulla Weber, Willi Zöllner sowie Roswita Kattmann(Regionsarchiv), Dr. Höing (Stadtarchiv), Elke König-Gerdau (Stadtbibliothek), Hubert Brieden (Arbeitskreis Regionalgeschichte) und der Sparkasse Hannover.

Das Projekt lief von 2011 bis 2013. Es wurde aus organisatorischen Gründen nicht verlängert.

Katja Baier, Hans-Heinrich Bückmann (Seminarfachlehrer Geschichte der KGS)

Facharbeitsthemen und -bearbeiterInnen

Aktuelle Facharbeitsthemen 2013

  • Die Integration der Sudetendeutschen in Hannover am Beispiel von Liselotte Lüderitz
  • Die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen in Neustadt am Rübenberge
  • Neustadt am Rübenberge – Stadtentwicklung nach dem 2. Weltkrieg
  • Integration von Spätaussiedlern in Neustadt am Rübenberge
  • Neustadt am Rübenberge – Wohnungsnot und Bauprogramme in den 50er und 60er Jahren
  • Benachteiligung und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund in Neustadt am Rübenberge
  • Kriegsgefangenenlager im Raum Neustadt am Rübenberge
  • Familie Sellin – Eine Einwanderung aus Polen 1989
  • Notunterkünfte für Flüchtlinge und Vertriebene in der Nachkriegszeit in Neustadt am Rübenberge
  • Institutionelle Migrationspolitik im Wandel
  • Arbeitsmigranten in Neustadt und ihre Geschichte

Wenn Sie etwas zu einem dieser Themen beitragen möchten, setzen Sie sich bitte über „Kontakt“ mit uns in Verbindung.
*Arbeiten des Seminarfachs aus dem Jahr 2011**

  • Umfang und Phasen der Auswanderung aus Neustadt am Beispiel der Namensliste aus den Kirchenbüchern der Liebfrauengemeinde (Dennis Priebe)
  • Armenkasse und Auswanderung aus Neustadt (Lisa Jeschkeit, Manja Rüffert; Andreas Kremer, Tom Zimmermann)
  • Zur Abschiebung Straffälliger aus Neustadt (Anna Kroll, Yannik Scheffler)
  • Die Auswanderung der Familie Wettig – Ursachen, Motive und Formen (Feyza Nur Demir, Merle Denecke)
  • Die Auswanderung der Familie Nülle – Ursachen, Motive, Form (Yannik Bruchmann, Jannis Neubert)
  • Die Auswanderung der Familie Nülle – Integration in den USA (Annika Behneking, Alena Schusdziarra)
  • Die Auswanderung des Heinrich Hogrefe – Ursachen, Motive, Form (Cemil Merey, David Nika)
  • Die Auswanderung des Heinrich Hogrefe unter dem Gesichtspunkt der Integration in den USA (Tobias Burkhardt, Daniel Teichmann)
  • Die Auswanderung der Familie Baebenroth aus Neustadt   Christin Conrad, Seray Sahin)
  • Die Auswanderung der Familie Heidorn   (Yannic Bertram, Yannik Rodewald)
  • Soziallage und Auswanderung aus Eilvese im 19. Jahrhundert (Mareike Bösch, Christine Köhn, Florian Bode, Kevin Schumann)
  • Zur Soziallage und Auswanderung aus Mardorf (Martin Schöne)
  • Die Einwanderung und Integration von Hüttenarbeitern und Torfstechern aus Anlass des Aufbaus der Neustädter Eisenhütte (Simon Janzen, Hogar Ötles)
  • Zur Integration / Ausgrenzung der Juden in Neustadt vor 1933 (Janina Meißner, Ole Rasmus)
  • Auswanderung aus Neustadt während des Nationalsozialismus (Franziska Hagen, Anna-Katharina Riedel)
  • Ausgebombte, Flüchtlinge und Vertriebene in Suttorf nach 1945 – ein Dorf im Umbruch (Jan-Hendrik Iser, Michel Schaumann, Mathis Schweigert, Arne von der Lieth)
  • Integration von Portugiesen in Neustadt an einem Einzelbeispiel (Lukas Geisler, Filipe Perau)
  • Migration aus dem Libanon am Beispiel der Familie Hachem (Mohamed Hachem)
  • Migrationsgeschichte der Russlanddeutschen – ein Fallbeispiel (Carolina Sophie Heide, Edgar Hoffmann)

Flüchtlinge nach 1945 in Neustadt, Hagen und Otternhagen

Erste Ergebnisse dieses Projektes finden Sie hier.